Nach anderthalb Jahren Corona-Pause startet die Neue Philharmonie MV im September drei Herbst-Tourneen. Bei seinen Konzerten in Mecklenburg-Vorpommern kommt das Orchester endlich wieder nach Hause. Das Comeback-Programm ist sommerlich-beschwingt. Ein Gastbeitrag von Sabine Krasemann, Intendantin der Neuen Philharmonie.

Die Neue Philharmonie kommt im September 201 endlich wieder zu einer Stadt.Land.Klassik!-Tour nach Mecklenburg Vorpommern. Wir haben uns ein spätsommerliches, beschwingtes Programm ausgedacht, das sich rund um Serenaden, Menuette, Tänze und Suiten dreht und mit dem wir unsere Fans glücklich machen möchten. Dafür haben unsere Streicher beliebte Stücke zusammengestellt: Mozarts „Kleine Nachtmusik“ und Griegs „Holberg Suite“ erklingen im Pack mit Tschaikowskis Serenade op. 48.

Die Neue Philharmonie MV spielt im September 2021 Werke von Mozart, Tschaikowski und Grieg.
Die Neue Philharmonie MV spielt im September 2021 Werke von Mozart, Tschaikowski und Grieg. Fotos: Ulrike Kielmann

Diese Serenade zählt zu Mozarts populärsten Stücken

Mozart schrieb seine Serenade Nr. 13, die das Köchel-Verzeichnis 525 trägt 1787, im gleichen Jahr, in dem er den Don Giovanni schrieb und sein Vater starb. Ein eher spätes Werk, das mit der Serenadenform bereits stark experimentiert und zurecht zu Mozarts populärsten Stücken zählt. Was das Stück so überaus beliebt macht, sind seine feinen Nuancen, die den Zuhörer in Bann halten. Die Streicher bringen in gestalterischer Feinstarbeit Mozarts galantem Stil zur Geltung, mit dem er mühelos Themen verwebt, farbliche Spannungen ausarbeitet und innerhalb des homogenen Streicherklangs dauernd Überraschendes mit einem Augenzwinkern präsentiert – das Ganze stets unter klanglich „gedimmter“ luzider Besetzung in einem in sich geschlossenen Mikrokosmos, der das Eintauchen in diese bezaubernde Abendmusik so verführerisch macht.

Für die Welt verloren gegangen ist leider ein fünfter Satz, denn aus den eigenen Aufzeichnungen von Mozart geht zweifelsfrei hervor, dass es in der Originalversion fünf Sätze gab. Für den 10. August 1787 notierte Mozart: „Eine kleine NachtMusick, bestehend in einem Allegro. Menuett und Trio. – Romanze. Menuett und Trio, und Finale. – 2 violini, viola e bassi.“.

100 Jahre später schrieb Grieg eine Meister-Suite

Fast 100 Jahre später komponierte der Norweger Edvard Grieg an einem Kompositionsauftrag: „Fra Holbergs tid – Suite i gammel stil“, so im Original. Namensgeber der Suite ist der Dichter Ludvig Holberg, dessen 200. Geburtstag 1884 begangen wurde und um den sich die nordischen Nationen stritten, ob er nun Däne oder Norweger sei. Die Musik wurde zunächst für Klavier solo komponiert und blickt stilistisch zurück in des Dichters Zeit.

Das Werk greift die abwechslungsreiche barocke Musikstilistik der Suitenform auf, die im 17. Jahrhundert Einzug an die Höfe hielt und bis ins das 18. Jahrhundert immer weiter verfeinert und weiterentwickelt wurde. Diese barocken Tanzmusiken bestehen aus einzelnen Sätzen, deren Titel (Sarabande, Rigaudon etc.) jeweils die Charakteristika der Musik a priori festlegen, insbesondere natürlich spielt der Rhythmus eine tragende Rolle – so wie es auch vom Walzer klar ist, dass er im nicht zu schnellen Dreiertakt steht ist es auch bei den von Grieg komponierten Sätzen: Auch seiner Sarabande ist selbstverständlich ein Dreiertakt, ein langsamer Tanz, der zwischen zwei schnellere Sätze gestellt wurde, um der Abfolge „schnell-langsam-schnell“ zu genügen.

Berühmt und bis heute beliebt sind Couperins Suiten, die er für Cembalo schrieb und die bis heute in Klavierrezitals als kurze, stilistisch-kapriziöse und manirierte Stilexperimente oft zu hören sind. Dieses Genre ergänzt nun Grieg mit seinem Meisterwerk. Im Konzert klingt jedoch die Streichorchester-Version dieser Suite. Sie stellt mit seinen luftigen fünf Sätzen ganz im klassischen Sinne einer Suite eine elegante Tanz-Folge zusammen, haucht ihr seinen eigenen romantischen Kompositionsstil ein und garniert dies mit Charme aus der norwegischen Volksmusiksprache. So folgen wir im Stile der Romantik rückblickend dem Komponisten in die Zeit Ludvig Holbergs und legen einen romantisch-verklärten Blick in die Vergangenheit.

Claudia Schneider und Andreas Schulz organisieren die Konzertreihe
Claudia Schneider und Andreas Schulz organisieren die Konzertreihe Stadt.Land.Klassik! Foto: Nadine Schuldt

Tschaikowskis Serenade ist eine emotionale Hommage an Mozart

Tschaikowskys berühmtestes Werk aus der Gattung der Suiten oder Serenaden ist sicherlich die Nussknacker-Suite. Die Suite in C-Dur von 1880 (uraufgeführt im Januar 1882 in Moskau) jedoch ist gedacht als eine Hommage an Mozart, der für Tschaikowsky stets ein kompositorisches Leitbild war, hier jedoch als Stilzitat nicht in Erscheinung tritt. Die Hommage ist eher ureigen emotional vom Komponisten aus entstanden. Im Oktober 1880 schreibt Tschaikowsky an seine Freundin und Gönnerin Nadeshda von Meck über das Werk: „Die Serenade habe ich aus innerem Antrieb komponiert. Sie ist vom Gefühl erwärmt und, wie ich hoffe, nicht ohne künstlerische Vorzüge. Wie stets habe ich an den Stellen, die mir am besten gelangen, an Sie gedacht, und ich freute mich bei dem Gedanken, dass sie wohl dieselben Gefühle in ihnen wecken würden, von denen ich erfüllt war.“

Stadt.Land.Klassik! ist eine Erfolgsgeschichte der Neuen Philharmonie, die im Spätsommer um ein weiteres Kapitel bereichert wird. Lesen Sie hier, wie alles angefangen hat: Mecklenburg-Vorpommern ist das Mutterland der Neuen Philharmonie

Die Serenade wurde inspiriert beim Entspannen in der Sommerfrische ganz aus dem Studium einer Streichquintett-Partitur von Mozart. Während des sommerlichen Komponierens schreibt Tschaikowsky aus Kamenka 1880 wiederum an Frau von Meck: „Sie glauben gar nicht, liebe Freundin, welche unvergleichliche Freude ich empfinde, wenn ich mich in seine Musik vertiefe. Sie lässt sich keineswegs mit der fast quälenden Begeisterung vergleichen, die die Musik Beethovens, Schumanns und Chopins – vor allem Beethovens – in mir auslöst. Diese Musik begeistert und erregt mich, sie versetzt mich in Unruhe, aber sie liebkost nicht, sie beruhigt nicht wie Mozarts Musik.“

Und weiter heißt es: „Die Fähigkeit, mich für Mozart zu begeistern, verdanke ich wohl der Tatsache, dass ich bis zum 17. Lebensjahr wenig Musik kannte und erst durch eine Aufführung des Don Giovanni das Verständnis und die Liebe in mir geweckt wurden. Menschen meiner Generation wurden meist schon als Kinder mit der Musik vertraut, lernten Mozart erst nach Chopin kennen, in dessen Musik sich Byronsche Enttäuschung und Verzweiflung so stark widerspiegeln. Zu meinem Glück bin ich in einer wenig musikalischen Familie aufgewachsen und deshalb in meiner Kindheit nicht mit dem Gift durchtränkt worden, das die Musik von Beethovens Nachfolgern kennzeichnet. Und dasselbe Schicksal führte mich bereits im Jünglingsalter der Musik Mozarts zu, und durch sie entdeckte ich ungeahnte Weiten musikalischer Schönheit. Solche Jugendeindrücke sind für das ganze Leben entscheidend. Wissen Sie, dass ich mich jünger und munterer, beinah als Jüngling fühle, wenn ich Mozart spiele!“

Die Streichergruppe der Neuen Philharmonie
Die Streichergruppe der Neuen Philharmonie Foto: Ulrike Kielmann

Im Finale wird es dann noch einmal volkstümlich

Das Werk greift den Abwechslungsreichtum, den die Tanzsätze von Partiten und Serenaden bieten wie wir es bereits in den beiden anderen Werken des Konzerts erlebt haben auf. Der erste Satz startet mit einem pathetischen Bekenntnis, vollem Klang, während der zweite Satz ein Walzer ist und an so manchen Stellen eher eine gezuckerte Huldigung an Johann Strauß anklingen lässt: „süß und sehr graziös“ lautet denn auch die Spielanweisung des Komponisten beim Walzerthema.

Der Satz bleibt ganz wienerisch zwischen Realität, Eleganz und Sentimentalität in der Schwebe und scheint ein naher Verwandter des „Blumenwalzer“ aus der Nussknacker Suite zu sein. Im dritten, langsamen Satz wird es genau so wie es die Vortragsbezeichnung verlangt: Elegisch. So ist es kein Wunder, dass Tschaikowsky bei dem Thema dieses Satzes an den letzten Satz der Symphonie Pathétique anknüpft. Auch ihrer Dramaturgie nach dem Höhepunkt in Resignation umzuschwenken anstatt einfach ein Werk zu beschließen greift er wieder auf und verliert sich bis zum Ende des Satzes in Finsternis. Die „Story behind“, die Programmatik, die in diesem Satz deutlich zu hören ist hat Tschaikowsky allerdings nie aufgedeckt.

Im Finale wird es volkstümlich: Es erklingt in der langsamen Einleitung ein Lied der Wolgaschiffer, weitere Klangbilder folgen der Tschaikowsky vertrauten Idee, in Finalsätzen stilisierte Szenen aus dem russischen Volksleben zu malen. Schließlich jedoch geht der Blick zurück zur gefühlsüberladenen Einleitung des 1. Satzes.

Text: Sabine Krasemann

Termine von Stadt.Land.Klassik!:
20. September 2021, Werleburg in Malchow
21. September 2021, Historisches U in Pasewalk
22. September 2021, Sporthalle Südstadt, Anklam
25. September 2021, St. Peter und Paul, Teterow